Der Atomausstieg ist machbar

Peter Hennicke und Paul Welfens gehen mit der Energiepolitik hart ins Gericht: Es fehle am Willen, den Ausstieg aus der Atomkraft durchzusetzen. Sie fordern mehr Einsparungen und ein Ende der Bevorzugung von Atomkraftproduzenten.
Es kann in Deutschland um die Energiewende nicht schlecht bestellt sein. Denkt man. Dutzende Bücher deklinieren sie durch. Die Politik führt sie ständig im Munde. Doch täuscht der Eindruck. Verkündet wird viel, getan wird wenig.

Das jedenfalls behaupten Peter Hennicke, ehemaliger Chef des renommierten „Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie“ und Paul Welfens, Makroökonom und Präsident des „Europäischen Instituts für Internationale Wirtschaftsbeziehungen“. In ihrer kritischen Analyse der derzeitigen Energiepolitik stehen nicht Technologien im Mittelpunkt, sondern gesellschaftliche Veränderungen, die notwendig sind, um die Energiewende zu schaffen.

Das Buch belegt detailliert, auf zahlreiche Studien gestützt, dass Deutschlands Ausstieg aus der Atomkraft und sein Einstieg in erneuerbare Energien politisch durchführbar und ökonomisch sinnvoll ist. Deutschland könnte tatsächlich zum weltweiten Wegbereiter einer großen Transformation der Energiesysteme werden.

Nur fehlt es nach Ansicht der Autoren der Politik am Durchsetzungswillen – vor allem gegenüber den bestens vernetzten großen Energieunternehmen. Zwar sei man in Deutschland nach Fukushima bereit, aus der Atomenergie auszusteigen, weigere sich aber, deren Produzenten so zu behandeln wie jeden anderen privaten Unternehmer. Müssten Kernkraftwerke genauso gegen Schäden versichert werden wie Autos, stiege der Preis des angeblich so billigen Atomstroms um 50 Cent pro Kilowattstunde.

Derzeit decken die Haftpflichtversicherungen nur rund 1 Prozent möglicher volkswirtschaftlicher Schäden ab. Deren Kosten lägen im Fall eines Supergaus bei rund 6000 Milliarden Euro – rund das Doppelte des jährlichen Bruttoinlandprodukts der Bundesrepublik. Wie bei der Bankenkrise trägt hier der Staat, das heißt die Gesellschaft, das Risiko. Für die Autoren ein unzumutbarer Zustand. Sie sehen die extreme Unterversicherung als gigantische Schattensubventionierung. Sie abzuschaffen würde die Einführung erneuerbaren Energien massiv vorantreiben. Windkraft wäre dann ohne staatliche Förderung sofort konkurrenzfähig.

Die Autoren sind der Überzeugung, dass die Energiewende gelingen kann. Sie legen keine neue Studie vor, sondern vergleichen politisch unterschiedliche Umstiegsszenarien. Alle, bis auf eines, stützen ihre Position. Unabdingbar für die Wende wäre allerdings die drastische Verbesserung der Energieeffizienz. Die Autoren bemängeln, dass die Politik zwar ständig die Notwendigkeit des Energieeinsparens betont, es aber wenig konkret unterstützt. Hennicke und Welfens fordern eine neue Kultur der Selbstgenügsamkeit, eine drastische Reduzierung des Verbrauchs von Ressourcen und Natur.

Auch wenn es die Autoren bisweilen nicht an scharfer Kritik fehlen lassen, so argumentieren sie doch nüchtern und sachlich. Ein gelungener wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Überblick zur aktuellen Diskussion.

Besprochen von Johannes Kaiser

Peter Hennicke und Paul J.J. Welfens: „Energiewende nach Fukushima – Deutscher Sonderweg oder weltweites Vorbild?“
oekom Verlag, München 2012
284 Seiten, 29,95 Euro
Mehr zum Thema