Streit um Flüchtlingsunterkunft

Kettensägen-Massaker in Hamburg

Ein Demonstrant hält am in Hamburg vor einem Baum eine Kettensäge mit die Luft.
Ein Demonstrant hält in Hamburg vor einem Baum eine Kettensäge mit die Luft. © picture alliance / dpa / Axel Heimken
Von Axel Schröder · 08.04.2016
Im Hamburger Nobelviertel Blankenese kämpfen Anwohner gegen ein Flüchtlingsheim: Mit einer Autoblockade hatten sie zuletzt die für den Bau geplanten Fällarbeiten verhindert. Nun schlugen linke Aktivisten mit einem ganz besonderen Protest zurück.
Sandra Peters sieht zwar gar nicht gefährlich aus mit ihrer rosa Sonnenbrille und der schlohweißen Perücke. Aber das, was sie und die rund 50 Aktivisten vorhaben, klingt schon viel brutaler:
"Wir haben uns hier zusammengesammelt, um heute das 'Blankenese Chainsaw Massacre' abzuhalten. Das meint nicht mehr, als dass wir mit Kettensägen jetzt anrücken wollen, um die Bäume in Blankenese zu fällen, die von den rassistischen Anwohnern blockiert worden sind!"
Mit den "rassistischen Anwohner" meint die junge Frau die Bürger im feinen und reichen Blankenese, die am Montag die Zufahrt zu einer Grünfläche am Ende des Björnsonwegs mit ihren Autos zugeparkt haben. 42 Bäume sollten dort gefällt werden, um Holzpavillons für insgesamt 192 Flüchtlinge aufzustellen. Die Baumfäller mussten wieder abrücken.
"Protest gegen den Protest" - Aktivisten der "Interventionistischen Linken" bei ihrem "Kettensägen-Massaker" in Hamburg-Blankenese.
"Protest gegen den Protest" - Aktivisten der "Interventionistischen Linken" bei ihrem "Kettensägen-Massaker" in Hamburg-Blankenese.© Deutschlandradio / Axel Schröder
"Die hätten es gerne, wenn ihr Perlenketten-Club unter sich bleibt. Und das finden wir nicht richtig und deswegen werden wir da jetzt hinfahren und diese Bäume selber fällen!"

"Refugees are welcome here!"

Am frühen Abend radelten die Aktivisten der so genannten "Interventionistischen Linken" dann los in Richtung Blankenese. Über die Elbchaussee, vorbei an prächtigen, weißgetünchten Villen. Begleitet von vier Motorrad-Polizisten, die für freie Fahrt sorgten.
In allen sieben Stadtbezirken plant der Hamburger derzeit Folgeunterkünfte. Die Flüchtlinge sollen möglichst rasch die Erstaufnahmestellen verlassen können. Und während nahe den Hochhaussiedlungen in Hamburg-Osdorf oder in Billstedt jeweils schon rund 1.200 Flüchtlinge wohnen, sind die Blankeneser bislang unter sich. Eine Dreiviertelstunde brauchten die radelnden Protestierer bis in den Björnsonweg.
"Say it loud, say it clear – Refugees are welcome here!"

"Hamburg ist für alle da!"

Große Villen gibt es im Björnsonweg, direkt am Waldrand, aber nicht. Eher kleine Einfamilienhäuser. An einigen wenigen Balkonen hängen "Refugees Welcome"-Banner. Am Ende der Straße, einer Sackgasse, am geplanten Standort der Flüchtlingspavillons, ist der Zug am Ziel. Und Sandra Peters greift sich das Megafon:
"Was wir brauchen, ist echte Solidarität mit den Geflüchteten. Flüchtlingssolidarität wird jetzt zur Handarbeit, denn Hamburg ist für alle da!"
Jetzt soll es losgehen. Eine Birke soll als erstes fallen. Erst mit kleinen Handsägen, dann mit einer Motorsäge gehen die Aktivisten ans Werk.
Ein paar Zentimeter tief sägt ein junger Mann in den Stamm der Birke. Die Polizisten greifen nicht ein. Nach zehn Minuten ist das Spektakel zu Ende, Sandra Peters bedankt sich bei allen, die gekommen sind, auch bei den Flüchtlingsinitiativen aus Blankenese.

"Ich bin selbst auf der Flucht gewesen"

Zwischen den rund 80 Aktivisten steht auch eine Anwohnerin. Marion Mendt ist 90 Jahre alt. Sie hat nichts dagegen, dass hier bald Flüchtlinge wohnen könnten:
"Blankenese besteht ja nicht nur aus Protestlern, sondern auch aus Leuten, die das befürworten. Und sagen: wir müssen also unseren Teil dazu beitragen. Und in meinem Alter – ich bin selbst auf der Flucht gewesen, im Krieg, also man kann sich so ein bisschen rein versetzen – ich glaube, das prägt auch so ein bisschen die Einstellung zu diesen Dingen!"
Ganz anders sieht es ein älterer Herr. Reinhard heißt er, den Nachnamen behält er für sich. Und die Blockadeaktion vom Montag, als die Vorarbeiten für die Flüchtlingsunterkunft verhindert wurden, kann Reinhard nachvollziehen:
"Wenn man das verhindern will, mit normalen Mitteln, ohne Gewalt und ohne alles, dann weiß ich nicht, was ich dagegen haben soll."
Reinhard befürchtet, dass 192 Flüchtlinge im kleinen Björnsonweg einfach zu viel sind. Ob es – neben den rechtlichen Schritten – die einige Anwohner nun gegen die Unterkunft unternommen haben, noch weitere Blockade-Aktionen geben wird, ist nicht klar. Die Aktivisten von der "Interventionistischen Linken" haben aber schon angekündigt: "Wir kommen wieder! Und besuchen Euch auf Euren Golfplätzen!"
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